Freibad-Futter

Kürzlich im Prinzenbad. Ich stehe in der Schlange des Imbiss’ und betrachte sinnierend die Auslage mit frischen Salaten, Obst, Milchreis…
Und plötzlich bin ich wieder acht Jahre alt, stehe ebenfalls in einer Schlange – allerdings 700 Kilometer südwestlicher, im Offenburger Stegermattbad – und überlege gerade, welche köstliche Schweinerei ich mir diesmal leiste.

Mama hat mir eine Mark gegeben. Das reicht für einen luxuriösen “Mohrenkopfweck”, die Krönung der Genüsse!
Für alle der badischen Mundart nicht mächtigen: ein Mohrenkopf ist das, was heute politisch korrekt “Schaumkuss” genannt wird. Ein Weck ist ein Brötchen. Wird das Brötchen halb aufgeschnitten, zwischen die Hälften ein Schaumkuss geklemmt, den die gierige Kinderhand dann mit geübtem Schlag zerquetscht, erhält man die Delikatesse namens Mohrenkopfweck. Gibt’s nur ausnahmsweise und nur im Schwimmbad.

Auch beliebt und fast gleich lecker: das “Hasenbrot” für 50 Pfennig. Dabei handelt es sich um eine quadratische Schaumwaffel mit Schokoladeüberzug. Unmöglich, diese bei 30 Grad zu essen, ohne hinterher sofort ins Wasser zu müssen! Aber immer eine Erwägung wert, da man für eine Mark gleich zwei Hasenbrote bekommt.

Natürlich wären auch die fantastischen “Schneckenschlotzer” eine gute Alternative. Diese Lutscher sind mehrfarbig gestreift, gedreht wie ein veritables Schneckenhaus und der Plastikstiel ist mit Cowboy-, Indianer-, Tippi- oder Pferdefiguren verziert. Kann man im Sandkasten toll mit spielen und auch als Sammelobjekt bzw. zum Tausch sind die Stiele sehr geeignet.

Cola- und Erdbeerschnüre, die so herrlich den Mund verkleistern, Brauselutscher, die Eissorten Düsenjäger (eigentlich Alpha Star) und Dolomiti. Alles Freibadklassiker meiner Kindheit. Manche gibt es heute noch, viele sind verschwunden.
Doch in diesem Moment sehe, rieche, schmecke ich sie wieder. Und ich weiß noch genau, wie das leicht nervöse Bauchgefühl ist, kurz bevor ich selbst an die Reihe komme und mich für eine Sache entscheiden muss. Schnell nochmal alle Möglichkeiten durchgehen, okay – heute Hasenbrot!!

Zurück im Jahr 2010 im Kreuzberger Prinzenbad. Ich bin dran und wähle “Brauner Bär”. Während ich lutschend zu meinem Handtuch zurück schlendere, seufze ich noch einmal wehmütig. Morgen hol’ ich mir im Supermarkt eine Packung Mohrenköpfe und einen Weck…

Über stefanie

Geboren 1976 in Offenburg. Grundschulzeit und Gymnasialzeit in Offenburg. Nach dem Abitur ein Jahr Arbeit in einem Museum für experimentelle Archäologie. Studium der Ethnologie/Ur-und Frühgeschichte/Soziologie an LMU München, Fu/HU Berlin. Feldforschung im französischen Jura mit einem fahrenden Lebensmittelhändler. Abschluss des Studiums als Magistra artium. Während des Studiums Nebentätigkeit als Verkäuferin bei Manufactum Brot&Butter. Später Produktmanagerin für den Food-Bereich im gleichen Unternehmen. Seit 2007 freie Journalistin und Foodscout.
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Eine Antwort auf Freibad-Futter

  1. Martin sagt:

    “Brauner Bär” war DAS Eis meiner Kindheit! Und dann war es irgendwann verschwunden, war wohl etwas in dem Karamell-Bezug am Stil (das war ja das Besondere am braunen Bären) irgendwann lebensmitteltechnisch nicht mehr in Ordnung. Erst vor ca. fünf Jahren kam er zurück, der Bär. Der Karamellbezug ist immer noch da, aber irgendwie anders, weniger klebrig.

    Ansonsten bekomme ich noch heute in jedem Schwimmbad nach dem Wassergang Appetit auch Prinzenrolle (was ja wieder zum Prinzenbad passt!). Muss auch so eine frühkindliche Prägung sein. ;-)

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