Frei von der Leber weg – reden wir Klartext zum Thema Stopfleber

Für die Einen ist sie eine Delikatesse, so edel wie Trüffel und Kaviar. Für die anderen Teufelszeug und der Inbegriff von Tierquälerei. An Stopfleber scheiden sich die Geister.
Wer nicht für sie ist, ist gegen sie. Gleichgültigkeit – Fehlanzeige.
Dennoch war mein Optimismus ungebrochen, einen neutralen Beitrag über die umstrittene Gaumenfreude zu schreiben. Es sollte anders kommen.
Nach eingehender Recherche und Diskussionen mit Experten aus Gastronomie, Handel, Tierschutz und Zoologie steht für mich persönlich fest: an Stopfleber ist nur eine Sache positiv und das ist der fantastische Geschmack. Rechtfertigt der den Verzehr eines Produkts, für dessen Herstellung Tiere eindeutig leiden müssen? Nein!
Ich möchte hier nicht die Details, die mit der Entstehung von Stopfleber einhergehen, benennen. Jeder interessierte Leser kann sich diese Informationen mit Leichtigkeit beschaffen. Kleiner Tipp: essen Sie vorher besser nicht!

Zu Beginn meiner Recherche habe ich selbst gelegentlich Stopfleber genascht. Etliche Artikel, Bilder und Videos später ist klar – das war einmal! In Zukunft werde ich darauf tunlichst verzichten! Man kann die Aktionen militanter Tierschützer für grenzwertig halten, aber mit einem haben sie Recht. Stopfleberproduktion ist nicht artgerecht. Sie ist qualvoll und widernatürlich. Dem hartnäckigen Leugnen aller negativen Umstände durch eingefleischte Foie-Gras-Fans kann im Grunde nur schlichte Ignoranz zu Grunde liegen. Uninformiert speist sich’s leichter.
Vorne Hui, hinten Pfui lautet das Motto. Schaut man hinter die edle Verpackung, hinter die sorgsam verschlossen gehaltenen Türen der Mastbetriebe, vergeht der Appetit. Da mausert sich die Feinkost und zeigt schonungslos ihr wahres Gesicht.
Bestimmt gibt es Betriebe, die ihre Tiere möglichst schonend behandeln. Und genauso gibt es schwarze Schafe mit wahrlich barbarischen Zuständen. Aber, wie soll ich als einfacher Kunde sicher sein, dass meine Stopfleber aus einem der besseren Betriebe stammt? Transparenz ist nicht unbedingt die Stärke des Lebensmittelhandels, man denke nur an das Pony in der Lasagne. Außerdem, auch eine etwas umsichtiger gestopfte Ente lebt nicht artgerecht!
Nicht umsonst ist das Stopfen von Enten und Gänsen in 15 EU-Ländern und Israel aus Tierschutzgründen verboten. In Deutschland gilt das Verbot für die Produktion. Irrwitzigerweise verspachtelt unsere Nation jedoch Unmengen von Stopfleber, gehören wir zu den größten Importeuren weltweit. Denn sowohl die Einfuhr als auch der Verkauf ist erlaubt. Tierschutz hört in diesem Fall also an der Grenze auf.
Die Foie-Gras-Nation Frankreich umgeht den Konflikt mit dem eigenen Tierschutzgesetz dadurch, dass Stopfleber als nationales und gastronomisches Kulturerbe von dessen Vorschriften ausgenommen ist.
Nach wie vor ist Stopfleber eine Art gastronomisches Statussymbol. Vielfach geht es auch mehr um die Symbolik als um den Geschmack. Dazu muss man nur die Zutatenliste der im Feinkosthandel angebotenen Mousse de Foie oder Leber-Terrinen betrachten. Groß und deutlich steht Foie Gras auf der Packung. Tatsächlich enthalten die fertigen Produkte oft nur 5% Stopfleber, der Rest besteht aus Schweineleber. Die paar Foie-Gras-Moleküle werden sich vermutlich nur schwer gegen deren aromatische Übermacht behaupten. Warum also überhaupt Stopfleber als Zutat nehmen?

Im Zuge meiner Recherche bin ich auch auf angeblich „ungestopfte Stopfleber“ gestoßen. So widersprüchlich schon die Bezeichnung ist, so schwierig stellt sich auch die Verfolgung der Herkunft dieses Produkts dar. Zweifel an dieser Spezialität scheinen in vielen Fällen angebracht zu sein. Spätestens dann, wenn große Supermarktketten Produkte aus angeblich ungestopfter Stopfleber anbieten.
Es gibt überzeugende Berichte, dass Enten und Gänse sich tatsächlich ohne Zwang eine fettere Leber anfressen. Allerdings – und das wird hierbei immer wieder betont – sei dies nur mit sehr viel Zeit und noch mehr Futter möglich, also kaum wirtschaftlich. Bisher ist mir noch keine dieser Lebern serviert worden, ich kann daher nur aus zweiter Hand berichten. Eine solche Fettleber sei bei weitem nicht so groß wie eine Stopfleber, habe eine andere Konsistenz und sei darüber hinaus exorbitant teuer. Kaum vorstellbar, dass von diesem Produkt ausreichende Mengen erzeugt werden, um Supermärkte zu beliefern. Und noch weniger vorstellbar, dass dies zu einem für Supermärkte akzeptablen Preis möglich ist.

Dass es auch ohne geht zeigt ein Tipp vom Sternekoch meines Vertrauens: die Alternative zur Stopfleber ist eine Mousse oder Terrine aus normaler Leber von Freilandenten oder –gänsen. Den gewünschten Geschmack und Fettgehalt erreicht man mit Butter. Schmeckt göttlich und schont Geldbeutel und Gewissen zugleich.

Über stefanie

Geboren 1976 in Offenburg. Grundschulzeit und Gymnasialzeit in Offenburg. Nach dem Abitur ein Jahr Arbeit in einem Museum für experimentelle Archäologie. Studium der Ethnologie/Ur-und Frühgeschichte/Soziologie an LMU München, Fu/HU Berlin. Feldforschung im französischen Jura mit einem fahrenden Lebensmittelhändler. Abschluss des Studiums als Magistra artium. Während des Studiums Nebentätigkeit als Verkäuferin bei Manufactum Brot&Butter. Später Produktmanagerin für den Food-Bereich im gleichen Unternehmen. Seit 2007 freie Journalistin und Foodscout.
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